Archiv der Kategorie: Urteile zu Sozialfragen

Auch geringe Fahrtkosten müssen Arbeitslosengeld II Empfängern erstattet werden

Das Bundessozialgericht in Kassel hat in dieser Woche erneut die Rechte von Hartz IV Empfängern gestärkt. Die bisherige Regelung der Ämter war es, Fahrtkosten unter 6,00 Euro nicht zu erstatten. Diese Regelung wurde bei den zuständigen Ämtern als Bagatellgrenze geführt. Ein Betroffener wurde von der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung Augsburg abgewiesen, der die Fahrtkosten in Höhe von 1,76 Euro zurück verlangte. Das Bayrische Landessozialgericht hatte dem Mann jedoch Recht gegeben und verwarf die Bagatellgrenze von sechs Euro. Aus diesem Grunde hatte das Landessozialgericht die Revision beim Bundessozialgericht zu gelassen, dass nun
ebenfalls die Rechte des Betroffenen stärkte. Die Übernahme der Reisekosten müssen nun vom Amt übernommen werden. Die Richter argumentierten, dass das Amt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hätte treffen müssen.

Der Kläger hatte vor Gericht argumentiert, dass dass ihm nach dem ALG II-Regelsatz nur 11,52 Euro am Tag zustünden und er davon 3,84 Euro für Lebensmittel ausgeben müsse. Da würde für Reisekosten kaum mehr etwas übrig bleiben.

Quellen:
Sozialrecht und gegen-hartz.de

SGB II: Darlehen für die Mietkautionen müssen nicht getilgt werden

Wer als Empfänger von Arbeitslosengeld II in eine Wohnung angemessener Größe umzieht und für die neue Wohnung Kaution zahlen muss, erhält die Geldleistungen für eine Mietkaution in der Regel als Darlehen. Dieses Darlehen darf nicht mit den Grundsicherungsleistungen aufgerechnet werden, d.h. es bleibt zins- und tilgungsfrei. Dies entschied in einem Beschluss der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 6 AS 145/07 ER).

Im vorliegenden Fall hatte die Arbeitsförderung des Landkreises Kassel einem alleinerziehenden Vater und ALG II-Empfänger ein Darlehen für eine Mietkaution gewährt und monatlich 50 € der Grundsicherungsleistungen zur Tilgung des Darlehens einbehalten.
Dies sei, so urteilten die Richter, rechtswidrig. Das Gesetz sehe die ratenweise Tilgung von Darlehen aus den laufenden Leistungen der Grundsicherung nicht vor, denn hierdurch werde das gesetzlich abgesicherte Existenzminimum gefährdet bzw. unterschritten. Ein Tilgungsanspruch könne nur für Einkommen oberhalb der Pfändungsgrenze geltend gemacht werden. Im aktuellen Fall lag die Pfändungsgrenze für den Vater und seinen unterhaltsberechtigten Sohn bei ca. 1300 €, das Gesamteinkommen beider blieb mit ca. 870 € weit darunter. Insofern war der mit einer Tilgungsvereinbarung über 50 € monatlich abgeschlossene Darlehensvertrag zwischen Landkreis und Hilfeempfänger rechtswidrig. Im Übrigen entstehe dem Landkreis aus der Zins- und Tilgungsfreiheit kein Schaden, weil im Darlehensvertrag der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution an den Leistungsträger abgetreten worden sei.

Quellen:

PM 33/07 LSG Darmstadt; Recht und Alltag und Sozialgerichtsbarkeit

Autos von SGB II-Beziehern dürfen einen Wert von 7500 Euro nicht überschreiten !!

Diese Grenze legte das Kasseler Bundessozialgericht in einem Musterverfahren fest. Ist das Auto teurer, gilt es als Vermögen – Behörden dürfen dann einen Verkauf verlangen.

Das Bundessozialgericht Kassel hat am Donnerstag in einem Musterverfahren dazu einen neuen Grenzwert festgelegt: Nun dürfen Autos einen Wert von 7500 Euro haben – diese Grenze aber nicht überschreiten. Damit wurde das bisherige Limit deutlich angehoben, denn bislang sahen die Behörden die Grenze meist bei etwa 5000 Euro. „7500 Euro pauschal können als angemessen betrachtet werden. Liegt der Wert darüber, kann er ohne weitere Prüfung als unangemessen gelten“, hieß es in der Urteilsbegründung (Az: B 14/7b AS 66/06 R).

Ist das Auto teurer, müsse es als Vermögen gelten. Die öffentliche Hand könne dann auf Verkauf drängen oder das Arbeitslosengeld verweigern.

Quellen:

Stern.de und Sozialgerichtsbarkeit

Wer aus wichtigem Grund den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung verweigert, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht zwingend

Das Arbeitslosengeld II wird abgesenkt, wenn sich der Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn er einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Der Hilfebedürftige hatte den Vertrag aus wichtigem Grund abgelehnt, weil dieser einen rechtswidrigen Inhalt hatte.

LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.07.2007, L 3 ER 175/07 AS

Quellen:

Jurion und Sozialgerichtsbarkeit

Zu den KdU bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV)

Jedes Familienmitglied hat Anspruch auf ein eigenes Zimmer!

Wenn eine Familie vier Mitglieder hat und Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat sie auch Anspruch auf eine Vierzimmerwohnung.

Vorliegend bewohnte ein unverheiratetes Paar mit zwei 12 und 17 Jahren alten Söhnen eine ca. 60 qm große Dreizimmerwohnung in Sachsen. Viel zu klein, die Wohnung, dachte sich die Familie und beantragte beim Träger des Arbeitslosengelds II (ALG II) die Genehmigung zum Umzug in eine naheliegende Vierzimmerwohnung mit 80 qm. Die Warmmiete der neuen Wohnung war ca. 80 EUR höher. Nein, sagte der Leistungsträger; der kleine Junge bräuchte wohl doch noch kein eigenes Zimmer für sich alleine. Die Behörde berief sich auf § 22 Abs. 2 SGB II und meinte, die Erforderlichkeit des Umzuges und die Angemessenheit der neuen Wohnung nicht erkennen zu können.

Die Antragsteller legten Widerspruch ein und beantragten den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung (§ 86b SGG) beim zuständigen Sozialgericht.

Zu Recht, entschieden die Sozialrichter. Die Kammer geht davon aus, dass einem Kleinkind bereits ein eigenes Zimmer zusteht. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein erheblicher Unterschied im Alter zu den Geschwisterkindern besteht. Der Leistungsträger war daher zur Zustimmung zu verurteilen.

Da Verfahren vor den Sozialgerichten oft viele Jahre dauern und die Zustimmung zur Anmietung einer neuen Wohnung vorab einzuholen ist, war hier der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das richtige Mittel der Wahl. Dies wird das Sozialgericht auch so gesehen haben.

Entscheidung des Sozialgerichts Dresden (Az.: S10 AS 1957/07 ER – nicht rechtskräftig -).

Quellen:

Juracity, SG Dresden und Sozialgerichtsbarkeit

Freie Klinikkost darf nicht als Einkommen gewertet werden (zu SGB II)

Empfänger von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) haben während eines stationären Krankenhausaufenthalts einen Anspruch auf den vollen Regelsatz. So darf auch die Verpflegung, die sie als Patient während eines Klinikaufenthalts erhalten, nicht als Einkommen gewertet werden.

Auch rechtfertige die kostenlose Verpflegung nicht die Senkung des Regelsatz.

Ein SGB II – Empfänger erhielt im verhandelten Fall den üblichen Regelsatz in Höhe von mtl. 345,00 Euro. Dazu erhielt er einen Zuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 51,30 Euro.

Als der Betroffene sich aufgrund einer sechswöchigen stationären Reha, welche von der Rentenversicherung bewilligt worden war, in einer Klinik aufhielt, wurde die erhaltene Krankenhausverpflegung von der Behörde jedoch als Sacheinkommen gewertet.

Die Behörde errechnete auf einen Bewilligungszeitraum von vier Monaten verteilt einen Gegenwert von monatlich etwa 127,00 Euro. Daraufhin reichte der Betroffene Klage ein, welche nun auch zum Erfolg führte.

So räumte der Richter zwar ein, dass ein Geldwert der Krankenhausverpflegung nicht geleugnet werden könne. Aber der Gesetzgeber habe bislang keinerlei Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass Sachleistungen, die zu einem niedrigeren Bedarf führen, berücksichtigt werden können.

So könne man eine Sachleistung auch deshalb nicht als Einkommen umetikettieren, da sich der eigentliche Wert der Verpflegung, welche man als Patient während eines Krankenhausaufenthalts erhält, kaum ermitteln ließe.

Zudem würde bei einer Anrechnung von Sachleistungen Dritter auch die Pauschalierung, welche mit der Umstellung von Sozialhilfe auf Arbeitslosengeld II/Sozialgeld beabsichtigt ist, ad absurdum geführt.
Man müsste demnach in jedem einzelnen Fall prüfen, ob zum Beispiel die Stromrechnung von einer Person bezahlt werde, die nicht zu der Bedarfsgemeinschaft zählen würde oder ob jemand abgelegte Kleidung von Verwandten erhalte, um in solchen Fällen ggf. den Anteil der Kosten für Energie oder Bekleidung aus der Regelleistung kürzen zu können.

SG Osnabrück Urteil vom 20. Juni 2007 (AZ: S 24 AS 189/07)

Quellen:

Sozialleistungen.info und Sozialgerichtsbarkeit

Auch unter 25 Jahren haben einen Anpruch auf eine eigene Wohnung, wenn die Eltern ausziehen

Grundsätzlich haben junge Erwachsene unter 25 Jahren keinen Anspruch auf Leistungen des SGB II in Bezug auf eigenen Wohnraum, wenn sie aus der elterlichen Wohnung ausziehen. Mit der Frage, wie die Rechtslage sei, wenn die Eltern die gemeinsame Wohnung verlassen hatte sich das Landessozialgericht Schleswig-Holstein zu befassen.

Dieses wies in seinem Beschluss (AZ: L 11 B 13/07 AS ER) eine Beschwerde des örtlichen ALG II Trägers gegen das erstinstanzliche Urteil im einstweiligen Anordnungsverfahren des Sozialgerichts Schleswig (AZ: S 1 AS 1191/06 ER) zurück. Der zuständige Träger versagte die Übernahme der Kosten der Unterkuft, mit der Begründung, dass es der Leistungsempfängerin zumutbar sei, gemeinsam mit ihrem Vater, der die bisherige Wohnung aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, in dessen neue Wohnung zu ziehen.
Unter anderem mit der Begründung, § 22 Abs. 2a SGB II erfordere dem Wortlaut nach einen Umzug des jungen Erwachsenen. Ein Verbleiben in der schon bisher genutzten Wohnung sei begrifflich schwer als Umziehen in diesem Sinne zu verstehen” erteilten die Richter der Ansicht des Trägers schon mit Blick auf den Gesetzeswortlaut eine Absage. Ferner orientierte sich das Gericht an dem Sinn und Zweck der Regelung und entschied, dass der Gesetzgeber von einem Umzug des jungen Erwachsenen aus der gemeinschaftlichen Wohnung […] und dem erstmaligen Bezug einer Wohnung durch ihn” ausgehe. Daher sei der vorliegende Sachverhalt vom Gesetzgeber nicht geregelt. Da es sich bei der getroffenen Regelung um eine Ausnahme handle, sei diese eng auszulegen. Die Richter stellten jedoch auch klar, dass im Falle eines Missbrauchs die Rechtslage eine andere seien könnte.

Quellen:

Sozialleistungen.info und Sozialgerichtsbarkeit

Eine weniger als sechs Monate andauernde Unterbringung in einer Rehabilitationsklinik steht dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht entgegen

Wer weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung untergebracht ist, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Die Dauer der Behandlung ist im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu beurteilen. Vorläufig Leistungen sind zu gewähren, wobei die in der Klinik gewährte Vollverpflegung anzurechnen ist. Der Klinikaufenthalt selbst umfasst weniger als sechs Monate. Dieser Aufenthalt kann auch nicht mit dem Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt, der Leistungen unabhängig von der Dauer der Inhaftierung ausschließt, gleichgestellt werden. Die Zurückstellung der Strafvollstreckung geschieht aufgrund der freiwilligen Aufnahme einer Rehabilitationsmaßnahme und ist nicht mit einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung vergleichbar. Auch eine Addition der Zeiten verbietet sich.

LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.06.2007, L 3 ER 144/07 AS

Quellen:

Jurion und Sozialgerichtsbarkeit

Staat muss Hartz-IV-Empfänger höhere Heizkosten zahlen

Wenn der Staat einem Langzeitarbeitslosen eine größere Wohnung als vorgesehen zugesteht, muss er auch die entsprechend höheren Heizkosten übernehmen. Die Behörden hatten einem allein lebenden 62-jährigen Hartz-IV-Empfänger in Krefeld wegen der niedrigen Miete erlaubt, in einer 55 Quadratmeter großen Wohnung zu bleiben, obwohl ihm nur 45 Quadratmeter zustehen. Die höheren Heizkosten wollten die Behörden dann aber nicht mehr zahlen. Das SG Düsseldorf entschied, wenn die Unterkunftskosten angemessen sind, müssen auch die Heizkosten übernommen werden.

SG Düsseldorf, vom 23.07.2007, Az. S 23 AS 119/06

Quelle:

Jurion und Sozialgerichtsbarkeit

Aktenvermerk über Hausbesuch auch bei Widerspruch zulässig

Sozialbehörden dürfen nach einem Hausbesuch auch dann einen Aktenvermerk anfertigen, wenn der Hilfeempfänger dem widerspricht. Es ist allein maßgebend, dass die Behörde den Hausbesuch und die Dokumentation der Ergebnisse für erforderlich hält, um den Sachverhalt zu ermitteln. In diesem Fall hat der Betroffene keinen Anspruch auf Löschung der relevanten Daten. Die Behörde hat die Ortsbesichtigung nicht willkürlich vorgenommen. Sie ist verpflichtet, alle für eine Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu ermitteln. Selbstverständlich ist sie dabei nicht von der Zustimmung des Betroffenen abhängig und darf die dabei getroffenen Feststellungen auch dokumentieren.

SG Koblenz, Urteil vom 30.05.2007, S 2 AS 595/06

Quelle:

Jurion