Archiv der Kategorie: Urteile

Keine Gnade für Hartz IV und Sozialhilfe-Empfänger bei Bussgeldern

Das Landgericht Berlin (526 QS 186/06) hat am 10.07.2006 beschlossen, daß auch Hartz IV und Sozialhilfe-Empfänger zur Zahlung von Geldbußen verpflichtet seien.

In dem Beschluß heißt es:
Der Beschwerdeführer verkennt, dass die mit dem Bussgeldbescheid festgesetzte Geldbusse keine übliche Geldschuld ist. Der Staat braucht sie nicht wie ein gewöhnlicher Gläubiger beizutreiben. Vielmehr wird vom Betroffenen eine persönliche Leistung verlangt, die seine Mitwirkung erfordert. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Geldbusse, die darauf gerichtet ist, den Betroffenen künftig zur Einhaltung der Rechtsordnung anzuhalten. Aus gegebenem Anlass weist die Kammer den Beschwerdeführer weiterhin daraufhin, dass nach zutreffender obergerichtlicher Rechtsprechung des Kammergerichts grundsätzlich auch ALG-II- bzw. Sozialhilfebezieher verpflichtet sind, Geldstrafen und -bussen zu bezahlen. Dies gilt auch für Personen, die die eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Einen „Freibrief“ für arme Menschen zur folgenlosen Begehung von Ordnungswidrigkeiten gibt es nicht.

Quelle: kanzlei-hoenig.info

Unterhaltspflicht für pflegebedürftige Eltern (Elternunterhalt)

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat sich heute erneut hinter erwachsene Kinder gestellt, deren Eltern die Kosten für ihren Heimaufenthalt nicht aus eigener Tasche bezahlen können. Nach einem Urteil (Urteil des XII. Zivilsenats vom 30.8.2006 – XII ZR 98/04 (pdf)) können die Kinder ein angemessenes Vermögen für die Altersvorsorge behalten und müssen dies nicht für den so genannten Elternunterhalt einsetzen.

In dem entschiedenen Fall konnte die Mutter die Kosten ihres Aufenthalts in einem Seniorenheim in Bayern nicht aus eigenen Einkünften decken. Die Sozialhilfe bezahlte den Heimaufenthalt, verlangte das Geld aber vom Sohn zurück. Von seinem laufenden Einkommen von monatlich 1.330,00 Euro netto konnte der Sohn nichts abzweigen. Allerdings hatte er 113.400 Euro gespart. Das Sozialamt verlangte, er solle dieses Geld für den Heimaufenthalt der Mutter herausgeben.

Quelle:Handakte WebLAWg, Tagesschau vom 30.8.2006 sowie der Pressemitteilung des BGH (Nr. 122/2006)

– Guthaben auf Prepaid-Handykarten dürfen nicht verfallen –

Landgericht Düsseldorf Pressemitteilung vom 23.08.06 Nr. 04/2006

Die für Unterlassungsansprüche bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuständige 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat durch ein am Mittwoch (23. August 2006) verkündetes Urteil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Prepaid-Handyverträge benutzte Klauseln der Fa. VODAFON für ungültig erklärt.
Im Urteilstenor wird ausgeführt, daß die Klausel, die den Verfall des Guthabens vorsieht, gegen wesentliche Grundgedanken der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches verstoße und daher unwirksam sei.
Das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung werde entgegen der gesetzgeberischen Konzeption in unzulässiger Weise weitgehend eingeschränkt, wenn neben dem Verfall des Guthabens an sich zudem noch die Dauer der Verfallsfristen von maximal 15 Monaten und die unbegrenzte Höhe des verfallbaren Guthabens betrachtet werde. Im Übrigen führe der mögliche Verfall des Guthabens indirekt auch zu einer Mindestumsatzverpflichtung, die der Verbraucher angesichts der Werbung mit den Schlagworten „ohne Vertragsbindung“, „kein monatlicher Basispreis“,“keine Mindestlaufzeit“; „einfach aufladen und abtelefonieren bei voller Kostenkontrolle“ gerade meint umgehen zu können.

Auch die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach Ablauf bestimmter Fristen eine endgültige Sperrung der Prepaid-Karte vorsieht, sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.

Umzug für neun Monate wegen bedarfsübersteigender Leistungen ist Schwerbehinderter nicht zumutbar

Umzug für neun Monate wegen bedarfsübersteigender Leistungen ist Schwerbehinderter nicht zumutbar.

SG Düsseldorf, Beschluss vom 08.08.2006, Az. S 35 AS 172/06 ER

Tenor:

Für die Prüfung der Angemessenheit von Leistungen für Unterkunft und Heizung sind neben den konkreten Verhältnissen auf dem örtlichen Mietmarkt die persönlichen Lebensumstände der Hilfebedürftigen in die Prüfung mit einzubeziehen. Danach greift die Regelvermutung des § 22 Abs. 1 S.2 SGB II nicht ein, wonach den Bedarf übersteigende Leistungen längstens für sechs Monate gezahlt werden, wenn es einer Schwerbehinderten nicht zuzumuten ist, für den Zeitraum von neun Monaten unter Aufgabe ihres bisherigen sozialen Umfelds noch in eine angemessene, preisgünstige Wohnung umzuziehen, weil dann wegen der zu erwartenden Rente der Anspruch auf Sozialleistungen wegfällt.
(Zu: § 22 SGB II)

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Steuererstattung stellt teilweise bedürftigkeitsausschließendes Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II dar

Steuererstattung stellt teilweise bedürftigkeitsausschließendes Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II dar.

SG Aachen, Urteil vom 18.07.2006, Az. S 11 AS 58/06

Tenor:

Die teilweise Aufhebung eines Bewilligungsbescheides über ALG II wegen einer an den Leistungsempfänger gewährten Einkommenssteuererstattung ist rechtmäßig. Die Einkommenssteuererstattung ist nicht als Vermögen nach § 12 SGB II, sondern als teilweise bedürftigkeitsausschließendes Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berücksichtigen. Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass sich in der zur Auszahlung gebrachten Steuererstattung eine bereits vorher bestehende Rechtsposition realisiert.

(Zu: § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II , § 12 SGB II , § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X , § 54 Abs. 2 S. 1 SGG )

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Gemeinsam getätigter Erwerb einer Immobilie legt Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nahe

Gemeinsam getätigter Erwerb einer Immobilie legt Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nahe.

SG Aachen, Beschluss vom 31.07.2006, Az. S 11 AS 92/06 ER

Tenor:

Der gemeinsam getätigte Erwerb eines Wohnhauses spricht für ein Wirtschaften aus einem Topf und erfüllt die objektiven Umstände für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Eine bloße Zweckgemeinschaft zur Anschaffung einer Immobilie wäre etwa dadurch gekennzeichnet, dass sich in der Immobilie verschiedene Wohnungen befinden; abschließbare Zimmer genügen nicht, denn dies ist in so gut wie allen Wohnhäusern der Fall.
(Zu: § 7 Abs. 3 SGB II, § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II)

Quelle: www.sozialgerichtsbarkeit.de

Bei Ablehnung von gleichzeitig angebotenen Arbeitsstellen keine Leistungsabsenkung des ALG II nach § 31 SGB II

SG Berlin, Beschluss vom 09.03.2006, S 53 AS 1305/06 ER:

Tenor:
Ergeht wegen der Verweigerung der Aufnahme von drei gleichzeitig offerierten Arbeitsstellen aus demselben Grund nach zwei Sanktionsbescheiden noch ein dritter Bescheid, mit dem Leistungsabsenkungen festgesetzt werden, so steht dies im Widerspruch zur erzieherischen Funktion des § 31 SGB II. Dieser sieht zwar bei wiederholter Pflichtverletzung weitere Leistungsabsenkungen vor, was jedoch zeitlich aufeinander folgende Pflichtverletzungen voraussetzt, da bei einer Ablehnung von gleichzeitig angebotenen Stellen der erhoffte verhaltensändernde Effekt der Sanktion nicht eintreten kann.

(Zu § 31 SGB II)

Behörde muss bei verhaltensauffälligem Kind bis zu 10% höhere Wohnungskosten übernehmen

LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.07.2006 (AZ: L14 B 168/06 AS ER)

Tenor:
Hat die Trennung der Eltern bei einem Kind erhebliche psychische Belastungen und Verhaltensauffälligkeiten hervorgerufen und besteht keine andere Wohnmöglichkeit, die dem Kind einem Verbleib im seinem bisherigen Umfeld ermöglichen würde, so liegen besondere Umstände vor, die ein Überschreiten des generellen Richtwertes für Mietkosten um bis zu 10% rechtfertigen. Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (KdU) sind dann nicht unangemessen, so dass ein Anspruch gegenüber der zuständigen Behörde auf Kostenübernahme besteht.

(Zu: § 22 Abs. 1 SGB II)