Archiv für den Monat: November 2006

Bundessozialgericht zur Höhe des Regelsatzes im SGB II

Das Bundessozialgericht am 23.11.2006 zur Höhe des Regelsatzes im SGB II

Das Bundessozialgericht hat sich gestern zur Verfassungsmässigkeit der Höhe des Regelsatzes in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGBII geäußert und dazu festgestellt:

„Dem Vorbringen der Revision, die Vorschriften zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und zur Höhe der Regelleistungen sowie zur Berücksichtigung von Einkommen seien nicht verfassungsgemäß, ist der Senat nicht gefolgt. Nach Auffassung des Senats ist es nicht verfassungswidrig, dass die Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II ersetzt worden ist. Schon die Arbeitslosenhilfe war nicht beitragsfinanziert.

Auf die Eigentumsgarantie kann sich die Klägerin nicht berufen; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip sind ua deswegen nicht verletzt, weil die Betroffenen ausreichend Gelegenheit hatten, sich auf die neue Rechtslage einzustellen.

Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen gegen die gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen (§ 20 Abs 2 und Abs 3 SGB II) und in diesem Zusammenhang gegen die aus den Gesetzesmaterialien nachzuvollziehende Art der Bedarfsermittlung und deren Ergebnis.

Es ist grundsätzlich zulässig, den Bedarf gruppenbezogen zu erfassen und eine Typisierung bei Massenverfahren vorzunehmen.

Auch nach den individuellen Verhältnissen der Klägerin ist insoweit kein Verfassungsverstoss zu erkennen. Nicht als verfassungswidrig anzusehen ist schließlich die von der Revision angegriffene Regelung zur Einkommensberücksichtigung, die zwar ungünstiger ist als die bisher für die Arbeitslosenhilfe geltende Regelung, sich jedoch aus der anderen Zielsetzung der neu konzipierten Grundsicherung für Arbeitsuchende rechtfertigt.“

Die Gegenseite will nun vom Bundesverfassungsgericht die Verfassungsgemäßigkeit des Regelsatzes prüfen lassen.

Quelle: PM 35/06 des Bundessozialgerichtes vom 23.11.2006 und arbeitsrechtblog

Termin-Vorschau Bundessozialgericht Nr. 60/06

Der 11b. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 23. November 2006 über sechs Revisionen aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Unter Anderem:
B 11b AS 3/05 R – 1. C. Me.
2. M. Mü. ./. Job-Center Tempelhof-Schöneberg

Die Kläger, die seit vielen Jahren als bildende Künstler selbständig tätig sind, begehren von der beklagten Arbeitsgemeinschaft (Arge) als Leistung nach dem SGB II die Übernahme der Miet- und Heizungskosten für das von ihnen angemietete Atelier.

SG Berlin – S 55 AS 4609/05 –
LSG Berlin-Brandenburg – L 14 AS 1187/05 –
B 11b AS 1/06 R – S. ./. Grundsicherung für Arbeitsuchende im Landkreis Lörrach

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des § 20 Abs 2 und Abs 3 SGB II sowie des § 11 SGB II. Entgegen der Ansicht des LSG klaffe hinsichtlich der Höhe der Regelsätze eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Quelle: Bundessozialgericht

BUNDESSOZIALGERICHT – Richter stärken Rechte von Hartz-IV-Empfängern

In seiner ersten Sitzung zu den Hartz-IV-Gesetzen hat das Bundessozialgericht deutliche Kritik an Teilen der Reform geübt. Die Richter stärkten die Rechte von Hartz-IV-Empfängern gegenüber den Behörden.

Nach Ansicht des obersten deutschen Sozialgerichts seien Hilfen für getrennt lebende Arbeitslosengeld-II-Empfänger „aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich“. Zudem begrenzte das Bundessozialgericht (BSG) die Möglichkeiten der für die Leistungsgewährung zuständigen Arbeitsgemeinschaften, die Gelder für Miete und Nebenkosten zu drücken. Auch Eigentumswohnungen sind künftig besser geschützt.
Die Hartz-IV-Reform trat Anfang 2005 in Kraft. Für viele Arbeitslose ersetzt seitdem das Arbeitslosengeld II die Sozialhilfe. Während Sozialhilfeempfänger aber in besonderen Lebenslagen einen Zuschlag zum Regelsatz bekommen können, ist dies beim Arbeitslosengeld II nicht vorgesehen. Dagegen klagte vor dem BSG ein arbeitsloser und geschiedener Vater aus Duisburg. Er machte geltend, die die aus Arbeitsagentur und Kommune gebildete Arbeitsgemeinschaft müsse für die Fahrt- und Verpflegungskosten aufkommen, die durch regelmäßige Besuche seiner beiden im niederrheinischen Rees bei der Mutter lebenden Töchter entstehen.

Das BSG stimmte ihm unter Hinweis auf das Grundgesetz zu. Weil das Gesetz einen Zuschlag zum Regelsatz von monatlich 345 Euro nicht zulasse, müsse in solchen Fällen eine „Bedarfsgemeinschaft auf Zeit“ möglich sein. Danach werden die minderjährigen Kinder für ihre Besuchstage dem Haushalt des Vaters zugerechnet. Vertreter verschiedener Arbeitsgemeinschaften verwiesen am Rande der Verhandlung auf den hohen Verwaltungsaufwand einer solchen Regelung. Der Gesetzgeber habe dies aber offenbar „so gewollt“, erklärten die Kasseler Richter. Über die weit höheren Fahrtkosten soll nun das Sozialgericht Duisburg neu verhandeln.

Arbeitsgemeinschaft bewilligte nur Teil der Miete
Im zweiten Fall stritt eine arbeitslose Mutter mit vier Kindern aus Niedersachsen über die Kosten ihrer Wohnung. Mit 580 Euro bewilligte die Arbeitsgemeinschaft nur einen Teil der Miete. Dabei stützte sie sich auf die bundesweit einheitlichen Wohngeldtabellen. Doch das ist nicht zulässig, urteilte das BSG. Es folgte damit der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Sozialhilfe. Den Kommunen gaben die Kasseler Richter auf, eigene Maßstäbe für die Angemessenheit einer Wohnung zu entwickeln, die den örtlichen Gegebenheiten besser entsprechen.
Dabei müsse nur „das Produkt“ aus Größe und Quadratmeterpreis stimmen, betonte das BSG. Es gab damit den Arbeitslosen einen gewissen Spielraum bei der Wohnungssuche. So können Arbeitslose beispielsweise auch eine Wohnung mit leicht gehobener Ausstattung wählen, wenn sie sich dafür bei der Größe entsprechend einschränken. Weiter entschied das BSG, dass Arbeitslose in der Regel nicht in einen anderen Ort umziehen müssen, um die Wohnungskosten zu senken.

Mit einem dritten Urteil schließlich erschwerte das BSG den Zugriff der Arbeitsgemeinschaften auf Eigentumswohnungen und Häuser. Danach ist für ein oder zwei Personen eine Eigentumswohnung von 80 und ein Eigenheim von 90 Quadratmetern als „Schonvermögen“ geschützt und muss von den Arbeitslosen deshalb nicht verkauft werden. Für jede weitere Person kommen 20 Quadratmeter hinzu.
(Az: B 7b AS 14/06 R, B 7b AS 18/06 R und B 7b AS 2/05 R)

Quelle: Spiegel-Online vom 07.11.2004 und Bundessozialgericht